Was uns beschäftigt

Als wir uns auf die Gedenkstättenfahrt vorbereitet und die Konzentrationslager-Gedenkstätte Lublin-Majdanek zunächst im Rahmen des Unterrichts näher kennengelernt haben, tauchte im Austausch von Schülern, Lehrern und dem museumspädagogischen Leiter der Gedenkstätte ein breites Spektrum an interessanten Fragen auf, bei denen es uns wert war, sie vor Ort weiter zu verfolgen. Die folgende Auflistung zeigt die Fragestellungen, zu denen wir im Archiv geforscht und deren Arbeitsergebnisse wir in den nächsten Wochen auf diesem Blog sowie in einer Präsentation in der Synagoge Bielefeld vorstellen werden.

Der Alltag der Häftlinge in Majdanek im Spannungsfeld von Rivalität und Solidarität.

Die grundsätzliche Frage, die wir klären wollen, ist die, ob Solidarität unter den Häftlingen aufgrund der strukturellen Rahmenbedingungen des Lageralltags (Multiethnizität, Mangelzustand als Normalität, erzwungene Selbstverwaltung) unmöglich war, inwiefern die SS Rivalitäten gezielt förderte und welche Rolle individuelle Handlungsspielräume spielten.

Zur Vorbereitung lasen wir:

Literatur: Wolfgang Sofsky, Die Ordnung des Terrors: Das Konzentrationslager. Frankfurt/Main 1997.

Roman Frister: Die Mütze oder Der Preis des Lebens. Berlin 1997. (autobiografische Aufzeichnungen)

Die Entstehung und Verwendung von Bildmaterial im KL Majdanek und in der späteren Gedenkstätte:

Was war ihr Entstehungskontext, was die Intention der Fotografen? Wo erschienen sie zuerst? (u.a. ja auch in britischen und amerikanischen Zeitungen) In welchem Kontext wurden sie in der Folgezeit mit welcher Absicht rezipiert? Wie wurden und werden sie in Ausstellungen kontextualisiert und wie geht man gegenwärtig mit ihnen um? Auch enthalten: ein Exkurs zur Dauerausstellung in Auschwitz.

Literatur, die wir zur Vorbereitung gelesen haben:

Tobias Ebbrecht: Geschichtsbilder im medialen Gedächtnis. Filmische Narrationen des Holocaust. Bielefeld 2011. Darin das Kapitel „Monumente der Erinnerung: Bilddokumente als Modelle.“

Wolfgang Pensold: Eine Geschichte des Fotojournalismus. Was zählt, sind die Bilder. Wiesbaden 2015. Darin das Kapitel „Believe it! Beweise für den Holocaust“

Habbo Knoch: Die Tat als Bild. Fotografien des Holocaust in der deutschen Erinnerungskultur. Hamburg 2001. (Einleitung: Gegenstand, Fragestellung, Quellen und Methodik)

Aufstand und Flucht: Gegen das Opfernarrativ anschreiben – subversive Strömungen im Lager – wie sah der Lageruntergrund aus? Wer war beteiligt? Wie gelang die Kommunikation mit der Außenwelt? (Kassiber) Rekrutierten sich die ausgebrochenen sowjetischen Gefangenen aus diesem Personenkreis? Was war die Folge dieses Ausbruchs für diejenigen, die im Lager blieben?

Literatur, die wir zur Vorbereitung gelesen haben:

Als „Bezugsgröße“ Jules Schelvis: Vernichtungslager Sobibór, München 2003, insbesondere die Kapitel „Fluchtversuche“ und „Aufstand“.

Sowie das Kapitel über Widerstand/Aufstand in Susanne Willems „Auschwitz. Die Geschichte des Vernichtungslagers“. Berlin 2015.

Elissa Mailänder Koslov: Flucht und ihre (Be-)Deutungen im Macht- und Konzentrationsgefüge der Lager, in: Dies.: Gewalt im Dienstalltag. Die SS-Aufseherinnen des Konzentrations- und Vernichtungslagers Maijdanek 1942-44, S. 340-370.

Überleben von Kinder und Jugendlichen im Lager:

Welche äußeren Rahmenbedingungen waren für das Überleben maßgeblich? Welche Arbeit mussten Jugendliche leisten? Überlebensverbessernde Strategien? Gab es Erwachsene, die Kindern und Jugendlichen halfen?

Literatur zu unserer Vorbereitung:

Als „Bezugsgröße“ Verena Buser: Überleben von Kindern und Jugendlichen in den Konzentrationslagern Sachsenhausen, Auschwitz und Bergen-Belsen, Berlin 2011 sowie die Kapitel „Deportation“ und „Familienlager“ in Nicholas Stargadts Buch „Kinder in Hitlers Krieg“, München 2008.

Historische Tätergestalten und ihre filmische Narration: Hermine Braunsteiner als Inspiration für Bernhard Schlinks Romanfigur Hanna im „Vorleser“.

Medien zur Vorbereitung waren:

Buch und DVD „Der Vorleser“, Erläuterungen und Dokumente zum „Vorleser“ sowie Marita Krauss: Mitläuferinnen, Nutznießerinnen, Täterinnen im NS. Göttingen 2008.

Elissa Mailänder Koslov: Frauen auf Arbeitssuche: Wege ins Konzentrationslager (und das Folgekapitel), in: Dies.: Gewalt im Dienstalltag. Die SS-Aufseherinnen des Konzentrations- und Vernichtungslagers Maijdanek 1942-44, Hamburg 2009, S. 93ff.

Elissa Mailänder: Der Fall Hermine Braunsteiner – eine geschlechtergeschichtliche Studie, in: Das KZ Majdanek und die Justiz. Hrsg. von Claudia Kuretsidis-Haider, Irmgard Nöbauer u.a., Graz 2009, S. 223-237.

Tilo Werner: Holocaust-Spielfilme im Geschichtsunterricht, Norderstedt 2004, Kapitel „Spielfilme im Geschichtsunterricht – Schwierigkeiten und Chancen“.

Ergänzend Wendy Lower: Hitlers Helferinnen

Die Prozesse gegen Karl-Friedrich Höcker:

Wer war der Angeklagte? Was wurde ihm zur Last gelegt? Zeugenaussagen? Kann man aus rechtsgeschichtlicher Perspektive Unterschiede zwischen dem ersten und zweiten Prozess (in Bielefeld) erkennen? (und – ohne Archivmaterial – aus aktuellem Anlass (in unserer Nähe steht derzeit ein ehemaliger Wachmann aus Auschwitz): Wie sieht die deutsche Rechtsauslegung im Hinblick auf Verurteilungen wegen Beihilfe zu NS-Verbrechen in der Gegenwart aus?

Ausgehend vom Wikipedia-Artikel finden sich Links mit weiteren Informationen zur Person sowie zum Prozess.

Claudia Kuretsidis-Haider: Majdanek und die deutsche Justiz (darin ein Kapitel zum Prozess gegen Höcker vor dem Bielefelder Langegericht), in: Das KZ Majdanek und die Justiz. Hrsg. von Claudia Kuretsidis-Haider, Irmgard Nöbauer u.a., Graz 2009, S. 143-204.

Die KZ-Ärzte – eine Untersuchung der Gruppen der Lagerärzte und der Häftlingsärzte im Hinblick auf die Frage der Motivation für ihr Handeln:

In dieser Arbeit soll es zum einen um eine Untersuchung der Tätergruppe der Lagerärzte gehen und zum anderen, bei den Häftlingsärzten, um die Frage, ob sie in Einzelfällen Kollaborateure der SS oder ausschließlich Opfer waren und wo ihre individuellen Handlungsspielräume lagen.

Literatur: Vorwort zur Dokumentation des Nürnberger Ärzteprozesses. (Medizin ohne Menschlichkeit. Dokumente des Nürnberger Ärzteprozesses. Hrsg. u. kommentiert von Alexander Mitscherlich und Fred Mielke)

Katharina Zahirovic: Medizinverbrechen in Auschwitz – SS-Ärzte und Häftlingsärzte vor Gericht. In: Narrative im Dialog. Deutsch-polnische Erinnerungsorte. Hrsg. von Wolfgang Form, Krzysztof Ruchniewicz, Dresden 2013.

Die Würde der Menschen ist unantastbar? Gedenkstättenpädagogik und Ethik

Wie kann man die Würde und Individualität eines Menschen, der in einem KL entindividualisiert ermordet wurde, bewahren bzw. durch angemessenes Gedenken wiederherstellen? Und welche Funktion erfüllen die unterschiedlichen Gedenkstätten, die wir besucht haben? Sind sie Touristenschauplätze, Museen oder Friedhöfe, Lernorte? Wie steht es um Moral und Demokratieentwicklung. Verglichen werden in dieser Arbeit die Gedenkstätten Majdanek und Auschwitz.

Zur Vorbereitung haben wir gelesen:

Gedenkstättenpädagogik: Kontext, Theorie und Praxis der Bildungsarbeit zu NS-Verbrechen. Hrsg. von Elke Gryglewski, Vera Haug u.a., Berlin 2015.

Verunsichernde Orte. Selbstverständnis und Weiterbildung in der Gedenkstättenpädagogik. Hrsg. von Barbara Thimm, Gottfried Kößler u.a., Frankfurt/Main 2010.